Historisches Sachsen
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Tiefenau   
 
Allgemeines
 
Information

Landkreis Meißen

Beschreibung
Ein jämmerliches Bild bot sich dem Betrachter: Das Schlossgebäude zerstört, die Wirtschaftsgebäude ruiniert, der Park verweist. Schloss Tiefenau gehörte einst zu den bedeutendsten barocken Landsitzen Sachsens. Doch die sinnlose Schlosszerstörung 1948 sollte die Erinnerung an frühere Zeiten für immer auslöschen. Geblieben ist eine rekonstruierte Schlosskapelle und ein auch heute noch in seiner Gestaltung sehenswerter Schlosspark. Doch seit 2019 regt sich neues Leben in den verlassenen Gebäuden. Ein niederländischer Privatinvestor hat 2017 das Objekt erworben und plant den Ausbau zu einem Ferienressort.
Das ehemalige Rittergut nordöstlich von Riesa liegt am Rande eines Teichgebietes und wurde bereits 1259 als Herrschaftssitz erwähnt. Es gehörte dem Bischof von Naumburg, der bestrebt war, durch Kolonisation und Burgenbau hier eine eigene Herrschaft aufzubauen. In politischen und militärischen Auseinandersetzungen schränkten Dietrich der Bedrängte und Heinrich der Erlauchte 1216 und 1259 die Herrschaft der Bischöfe jedoch ein. 1259 musste der Bischof von Naumburg schließlich die alte Burg Tiefenau an den Markgrafen von Meißen abtreten. Dem Bischof blieb die sogenannte "Neue Burg", vermutlich eine Wasserburg an der Stelle des späteren Barockschlosses. Doch auch diese Grenzsituation hatte nicht all zu lange Bestand: 1274 erwarb der Markgraf auch noch die "Neue Burg" und festigte damit seine Macht. Die alte Burg im Osten ist heute überbaut.
In der Folgezeit wechselten mehrmals die Besitzer bis im 15. Jahrhundert das aus Böhmen stammende Adelsgeschlecht von Pflugk in den Besitz von Tiefenau gelangte und diesen - mit einer Unterbrechung zwischen 1611 und 1704 - bis 1945 behielt.
Der Oberhofmarschall August Ferdinand Graf von Pflugk gestaltete nach dem Wiedererwerb 1704 in der wasserreichen Niederung der Röderaue eine der schönsten Schloss- und Gartenlandschaften Sachsens. Dabei bezog er auch den mittelalterliche Wasserschutz der "Neuen Burg" in die barocke Gartengestaltung ein und verändert ihn.
Durch eine Toreinfahrt des Verwalterwohnhauses gelangte man einst in den rechteckigen Gutshof, um den sich die Wirtschaftsgebäude legten. Die beiden gegenüberliegenden Bauten in der Längstachse sind gleich gestaltet. Ihre barocken Mansardwalmdächer überragen die niedrigen Scheunen und Stallungen. An der Schmalseite befand sich das stattliche Barockschloss, das sowohl den Gutshof als auch den auf der anderen Seite angelegten Schlosspark beherrschte. Sein Mansarddach zierten vier Schornsteine. In der Mitte des Schlosses zeigte ein Segmentbogengiebel auf der Hofseite das Wappen der Grafen von Pflugk und das Stammwappen des Grafen von Stubenberg mit Bezug auf August Ferdinand Graf von Pflugk und Elisabeth Friederike, geb. Gräfin von Stubenberg. Vom hofseitigen Eingang gelangte man in eine Vorhalle, von der links und rechts Zimmer abgingen. Das dreiläufige Treppenhaus war auf den Park ausgerichtet. Sandsteinfiguren schmückten den Treppenaufgang in die beiden Obergeschosse. Die oberen Treppenhausfenster waren oval ausgebildet. Bemerkenswert war das Mittelzimmer im ersten Obergeschoss mit seiner reich geschmückten Stuckdecke. Die Wände waren durch aufgemalte Pfeilerstellungen und Rahmen gegliedert. Ein mit Tuchgehängen versehener Kamin befand sich in der Ecke. Doch von dem Schloss ist heute nur noch ein mit Strauchwerk bewachsener Schutthügel geblieben, der auf die frühere Pracht hinweist.
Mit der Zerstörung des Schlosses hat auch der einst mit Wassergräben umgebene Schlosspark seinen Bezugspunkt verloren. Dennoch ist in der gelungenen Anlage französischer Art sehenswerte Substanz erhalten geblieben. In der von August Ferdinand Graf von Pflugk um 1710 angelegten Parkanlage laufen mit niedrigen Hecken gesäumte Wege auf einen schönen Sandsteinbrunnen zu. Auf einem felsartigen Sockel trägt ein mit Voluten, Muscheln, Schilf und Fratzen verzierter Pfeiler ein mit Tannenzapfen verziertes Becken. Darüber sitzen drei Putten, eine Muschel als Becken haltend. Die vier Kreuzungspunkte der Nebenachsen werden durch wasserspeiende Tritonen hervorgehoben. Eingefasst wird die mit geometrischen Wegen und Rasenflächen versehene Anlage durch eine umlaufende Mauer und vier durch Lisenen gegliederte Gartenhäuschen mit Mansarddach. Eines der Häuschen ist als Grottenpavillon mit strukturiertem Grottenraum ausgestattet.
Nachdem der Bauherr 1712 starb, fügte seine Witwe 1716-17 die neue Schlosskapelle hinzu. Sie steht außerhalb des Schlossparks neben dem ehemaligen Brauhof. Dabei wurde eine bereits 1661 erwähnte und stark reparaturbedürftige Kapelle in der Nähe des Schafstalles abgetragen. Der neue Bau wirkt von außen eher schlicht, entfaltet innen aber eine glanzvolle barocke Pracht. Bemerkenswert in der Saalkirche mit Mansardwalmdach ist die reich ornamentierte Stuckdecke. Treppen führen zur Empore. Für die Gutsherrschaft war eine dreigeteilte Loge mit gemeinsamen Prospekt bestimmt. Im Mittelteil halten zwei Engel das Ehewappen von August Ferdinand Graf von Pflugk und Elisabeth Friederike, geb. Gräfin von Stubenberg. Den Kanzelaltar flankieren marmorierte Säulen und zwei weibliche Figuren, Glaube (mit Kreuz) und Hoffnung (mit Anker) darstellend. Die Orgel ist in der Ecke links neben dem Altar aufgestellt. Um die Symmetrie zu wahren, wurde rechts ein weiterer "stummer" Orgelprospekt errichtet. An der Raumgestaltung der Kirche waren vermutlich die Bildhauer Johann Benjamin Thomae und Johann Christian Kirchner beteiligt. Die Orgel stammt aus der Werkstatt Gottfried Silbermanns.
Gegenwärtig sieht die Schloss- und Gartenanlage noch immer sehr traurig aus. Nachdem 1945 der letzte Besitzer enteignet und vertrieben wurde, plünderte man die Schlossgebäude und zerstörte die Orgel der Kirche. Seit 1990 standen die Bauten des verwahrlosten Rittergutes leer. Die Anlage wurde zu einem Spekulationsobjekt. Doch mit dem Erwerb der gesamten Anlage durch einen niederländischen Privatinvestor keimt neue Hoffnung auf. Erste Anzeichen, wie die Sanierung des Grottenpavillons im Rosengarten und die Sanierung des Torhauses, lassen auf ernsthafte Absichten beim Aufbau eines Ferienressorts schließen.
 
Bildergalerie
Wirtschaftshof des Rittergutes
Schlosspark Tiefenau
Sandsteinbrunnen
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