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Beschreibung
Zwischen den Dörfern Ruderitz und Krebes im Vogtland stehen die Überreste zweier Kapellen, die im Volksmund als Burgstein bezeichnet werden. Insbesondere nachdem die Stadt Plauen sie in den 1990er Jahren restaurierte und das Gelände von Strauchwerk befreite, sind sie heute wieder ein beliebtes Wanderziel.
Lange Zeit glaubte man, die Kapellen seien um 1100 errichtet und um 1430 im Hussitenkrieg zerstört worden. Doch der vogtländische Heimatforscher Eduard Johnson konnte Ende des 19. Jahrhunderts beweisen, dass die neuere Kapelle erst um 1485 gebaut wurde. Von der älteren Kapelle soll nach Auffassung Johnsons zuerst ein Turm existiert haben, der zunächst als Wehrturm errichtet und später zu einer Kapelle umgebaut wurde. Diese Auffassung vertrat auch Dr. Richard Steche 1888 in seiner "Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen". Er ging davon aus, dass sich das unregelmäßige, turmähnliche Schiff aus einem früheren Wartturm entwickelt haben könnte, was letztlich auch die Bezeichnung "Burgstein" unterstützt. Steche begründete diese Annahme u.a. mit der Höhenlage der südlich gelegenen Pforte, welche 3 Meter über dem Boden angeordnet war. Der Chorraum wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt an den Turm angefügt und lehnte sich ohne Verzahnung an das Turmschiff.
Neueren Erkenntnissen aus der Quellenforschung zufolge wurde die ältere Kapelle 1474/75 errichtet; die neuere etwa 10 Jahre später. Diese Annahme bestätigen zwischenzeitlich auch dendrochronologische Untersuchungen einiger Holzbaureste aus den Ruinen. Wohl infolge einer Marienerscheinung von zwei Bergleuten entstand 1474 unmittelbar an der Grenze der Bistümer Bamberg und Naumburg eine Wallfahrt, die mit der Errichtung einer Wallfahrtskapelle (heute die westliche Burgsteinruine) verbunden war. Sie war der Pfarrei in Krebes unterstellt und gehörte somit zum Bistum Bamberg. Viele Menschen pilgerten zu dem wundertätigen Marienbild und ihre Spendengelder füllten die Opferstöcke und damit den Geldbeutel des Bamberger Bistums. Mit der Errichtung der zweiten Wallfahrtskapelle (heute die östliche Burgsteinruine) direkt neben der bestehenden entfachte sich ein jahrelanger Streit der beiden Bistümer Bamberg und Naumburg um die nicht unbeträchtlichen Wallfahrtseinnahmen.
Die Kapellen, deren Chöre sich nach Osten ausrichten, liegen ca. 12 Meter auseinander. Die westliche, ältere Kapelle erhebt sich unmittelbar auf einem Felsen und besteht aus zwei Teilen. Das turmähnliche Schiff ist der ältere Teil der Kapelle und könnte aus einem Burgturm hervorgegangen sein. Für die Anbindung des später angebauten Chores brach man einen Triumphbogen in die Turmmauer. Unter dem Chor befanden sich gewölbte Räume. Als einzigen Schmuck zeigte die Kapelle nach Eduard Johnson an der äußeren nördlichen Chorseite ein eingeschlagenes Tatzenkreuz, das Ordenskreuz der Deutschritter. Spekulationen, die Deutschritter könnten die geheimnisvollen Gründer der Wallfahrtskapellen sein, sind wegen fehlender schriftliche Überlieferungen unbewiesen.
Die östliche Kapelle lag etwa 5 Meter tiefer als die westliche und hatte einen regelmäßigen Grundriss. Die Anordnung einer Nord- und einer Südpforte im Schiff lässt auf die Benutzung dieser Kapelle für Wallfahrtszwecke schließen. Beide Kapellen waren mit Gewölben bedeckt, besaßen sonst aber wohl keinen architektonischen Gliederschmuck. Lediglich an den Chorfenstern der östlichen Kapelle konnten sandsteinerne Pfosten- und Maßwerke nachgewiesen werden.
Mit der Durchsetzung der Reformation im Vogtland in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und der damit verbundenen Ablehnung der katholischen Wallfahrtspraxis setzte der Niedergang der Doppelkirchenanlage ein. Schließlich verfügte Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen 1540 an die Herren Sack zu Geilsdorf den Abriss der beiden Kirchen. Das Baumaterial sollte für eine neue Kirche in Geilsdorf verwandt werden. Die Abtragung der beiden Sakralbauten erfolgte zwar nicht vollständig, doch waren sie später dem Verfall preisgegeben.
Erst im 18. Jahrhundert gelangte der Burgstein wieder in das Licht der Öffentlichkeit. Der Hofer Geschichtsschreiber Paul Daniel Longolius beschreibt in den "Sicheren Nachrichten von Brandenburgculmbach oder dem Fürstenthume des Burggrafthums Nürnberg oberhalb des Gebirges, mit Berührung dessen Grenzen" 1751 die Ruinen. Noch ein einziges Gewölbe soll zu damaliger Zeit gestanden haben. Zwischenzeitlich ist auch dieses eingefallen. In der Zeit der Romantik machte der vogtländische Zeichner Hermann Vogel den Burgstein mit seinen Illustrationen in ganz Sachsen bekannt. Er bezog ein Haus in Krebes und organisierte mit Freunden Zusammenkünfte in den verfallenen Kapellen. Ein Gasthaus am Burgstein erhöhte dessen Attraktivität.
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Bildergalerie |
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Burgsteinruinen |
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Burgsteinruinen |
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