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Beschreibung
Lauterbach ist ein Ortsteil der Gemeinde Neukirchen/Pleiße im sächsischen Landkreis Zwickau. Die Ersterwähnung des Ortes erfolgte 1304 als Herrensitz eines Johannes de Luterbach. Das Rittergut in Lauterbach ist, wie viele andere Rittergüter der Gegend, aus der mittelalterlichen Herrschaft Crimmitschau hervorgegangen. Crimmitschau und die gleichnamige Burg Crimmitschau (heute Burg Schweinsburg in Neukirchen/Pleiße) sind im Zuge der deutschen Ostexpansion am Ende des 12. Jahrhunderts als planmäßige deutsche Ansiedlung an der Stelle einer älteren sorbischen Siedlung gegründet worden. Bis in das 16. Jahrhundert waren Dorf und Vorwerk Lauterbach Bestandteile der Herrschaft. Noch 1551 wurde Lauterbach als Vorwerk des Rittergutes Schweinsburg geführt. Die Trennung erfolgte 1583, als Hans und Hermann von Weißenbach die Herrschaft Schweinsburg unter Herauslösung von Lauterbach verkauften. Lauterbach blieb fortan ein selbstständiges kurfürstliches Lehen.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erwarb der Hofmarschall und Obrist Bernhard von Starschedel das Rittergut. Die erstmals urkundlich 1311 mit Petrus de Starcedel erschienene Familie war vor allem in Sachsen begütert und stand vornehmlich in Diensten der Kurfürsten von Sachsen. Auf die Starschedels folgte 1640 Carol Bose. Carol Bose entstammte dem sächsischen Adelsgeschlecht von Bose, dessen Vertreter sich noch bis in das 18. Jahrhundert ohne das Prädikat "von" schrieben. Erst als Carol Gottfried Bose, kursächsischer wirklicher Geheimer Rat und Bevollmächtigter Gesandter auf dem Reichstag in Regensburg sowie Hauptvertreter des Zweiges Netzschkau und seine Nachkommen am 23. Mai 1715 vom Kaiser Karl VI. in den Reichsgrafenstand erhoben wurden, begann sich allmählich die Bezeichnung "von Bose" durchzusetzen. Carol Bose soll zu seiner Zeit einer der reichste Edelleute Sachsens gewesen sein und genoss beim Kurfürsten hohes Ansehen. So verwundert es nicht, dass er zahlreiche Herrschaften und Rittergüter, insbesondere im Raum Netzschkau, in seinen Besitz bringen konnte. Carol Bose starb am 12. Januar 1657 auf dem Weg von Zwickau zu seinem Schweinsburger Rittergut.
Durch seine Erben ging Lauterbach Anfang des 18. Jahrhunderts an die Familie von Schönberg, die es über mehrere Generationen behielt. Schließlich gelangte das Gut in der Mitte des 19. Jahrhunderts an den Kaufmann und Strumpfwarenfabrikanten Moritz Samuel Esche, dessen Familie in Limbach erfolgreich die Strumpfwirkerei eingeführt und damit eine vermögende Industriellendynastie gegründet hatte. Die nicht aus dem Adel stammende Familie konnte es sich also leisten, den alten Herrensitz 1884 abzureißen und auf den Fundamenten ein neues Schloss im Neorenaissancestil zu errichten.
Das Schloss ist eine Kombination aus traditionellen Bauformen der Renaissance des 16. und 17. Jahrhunderts und klassizistischer Turmvillen des 19. Jahrhunderts. Turmvillen erfreuten sich im 19. Jahrhundert in ganz Europa einer großen Beliebtheit. Wer es sich leisten konnte, erfüllte sich den Traum einer Villa mit ihren asymmetrisch angeordneten Baukörpern und der südländischen Ausstrahlung. Der unbekannte Baumeister gliederte die Schauseite des Schlosses Lauterbach durch eine Giebelachse mit Volutengiebel und einen vorgelegten Standerker sowie einen in die nördliche Ecke gesetzten und über vier Geschosse aufragenden Turm mit hohem Zeltdach. Über dem mittig angeordneten Portal befinden sich der Vermerk "Erbaut 1884" und ein Giebelfeld mit dem Monogramm "ME" für Moritz Esche.
Da die Familie Esche eng mit dem belgischen Architekten und Gestalter Henry van de Velde befreundet war, holte ihn Arnold Eugen Esche 1906 nach Lauterbach und beauftragte ihn mit einem umfassenden Um- und Ausbau der herrschaftlichen Räume. Henry van de Velde, der durch seine Wirkungszeit an der herzoglichen Kunstgewerbeschule in Weimar und als künstlerischer Berater für den Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach internationale Wertschätzung errang, richtete in den Jahren 1907 bis 1909 das Schloss Lauterbach neu ein. Die bis heute weitgehend erhaltenen aufwendig und kostbar gestalteten Einbauten und Umgestaltungen mehrerer Räume zählen zu den schönsten Arbeiten van de Veldes. Auch wenn man nach dem Zweiten Weltkrieg den Raumgestaltungen keine Aufmerksamkeit mehr schenkte, blieben sie doch von Zerstörungen verschont.
Das Haus betritt man über eine vierstufige Treppe und ein achteckiges, holzvertäfeltes Vestibül, von dem mehrere Räume im Erdgeschoss zu erreichen sind. Van de Velde ließ Wände vertäfeln, Decken verkleiden und fügte Wandschränke ein. Dazu entwarf er passende Möbel und stattete die Räume mit Leuchten aus Messing aus. Die Wände des Speisesaals - als größter Raum des Hauses - wurden mit eigens dafür entworfenem Leinenstoff bespannt. Das Arbeitszimmer erhielt eine Mahagoni-Wandvertäfelung in Jugendstilformen und dazu passende Wandleuchten aus Messing. Porträts von Familienangehörigen lockerten die Atmosphäre auf.
Heute sind vom Interieur jedoch nur noch Reste vorhanden. Von den eigens für das Schloss entworfenen Möbeln ist kein einziges Stück mehr im Haus. Der Grund ist in der Enteignung Arnold Esches im Zuge der Bodenreform zu suchen. Die landwirtschaftlichen Flächen wurden in eine LPG gewandelt; das Schloss gehörte fortan der Gemeinde Lauterbach. Zwar konnte ein Abbruch des Schlosses verhindert werden, die Einrichtung von zehn Wohnungen, vom Bürgermeisteramt und einer Arztpraxis führte dennoch zu einer individuellen Neuausstattung der Räume. Erhalten geblieben sind Jugendstil-Stuckdecken, Holzpaneele, Stoffbespannungen und Einbauwandschränke sowie die ganzheitliche Farbgestaltung.
1996 wurde das Haus von der Gemeinde Neukirchen/Pleiße zum Verkauf ausgeschrieben und bis 2004 leergezogen. Der aus Stuttgart stammende Künstler und Designer Claus Lämmle erwarb die Immobilie und richtete hier seinen Hauptwohnsitz ein. Inzwischen sind erste Räume restauriert. Es scheint, dass das Erbe von Henry van de Velde in guten Händen liegt.
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Bildergalerie |
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Schloss Lauterbach |
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