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Beschreibung
Längst sind die Zeiten vorbei, als im Sommer die Bürger Leipzigs in das ehemalige Dorf zogen und diesem das Aussehen einer Vorstadt verliehen. Heute ist das Gohliser Schlösschen, etwa zwei Kilometer nördlich des Stadtzentrums, umgeben von zahlreichen Wohn- und Geschäftshäusern, die es in seiner Höhe um einiges überragen.
Im März des Jahres 1750 erbte Christiane Regine Richter, zweite Ehefrau des Kaufmanns, Kammerrats und Ratsbaumeisters zu Leipzig Johann Caspar Richter, zwei Bauerngüter. Johann Caspar Richter (1708-70) entstammte einem begüterten Leipziger Kaufmannshaus und baute 1755-56 auf dem Grund dieser Bauerngüter das Schloss in der Leipziger Menckestraße 23 im Rokokostil als Sommersitz am Rande des Rosentals. Leipzig stand zu dieser Zeit auf seinem wirtschaftlichen Höhepunkt. So investierten die Leipziger Kaufleute nicht mehr nur in ihre Unternehmen, sondern finanzierten auch prächtige Palais und selbst öffentliche Bauten, wie die Leipziger Börse. Zahlreiche barocke Gärten mit ihren Lusthäusern entstanden rund um die mittelalterlichen Befestigungsanlagen. Sie dienten den Vergnügungen und Kunstsammlungen der Handelsherren und orientierten sich in ihrer Gestaltung an den fürstlichen Anlagen dieser Zeit. Die Gärten sind im 19. Jahrhundert - bis auf das Gohliser Schlösschen - jedoch wieder verschwunden.
Auch Johann Caspar Richter ließ auf seinem Gohliser Besitz ein neues Herrenhaus errichten und den Garten verändern. Es entstand ein bürgerlicher Landsitz, der sowohl große Schlossanlagen (Jagdschloss Hubertusburg) als auch Elemente französischer "Maison de plaisance" zum Vorbild hatte. Doch das Schloss musste im Innenausbau unvollendet bleiben. Preußische Truppen besetzten im Siebenjährigen Krieg auch Leipzig. Den Bauherrn verpflichteten sie mit anderen wohlhabenden Bürgern der Stadt zu Kontributionszahlungen an Preußen.
Nach dem Tode Richters heiratete Johann Gottlob Böhme, ein Leipziger Geschichtsprofessor, 1771 dessen Witwe und gelangte so in den Besitz des Schlösschens. Er ließ auch die aus finanziellen Gründen unvollendete Innenausstattung fertig stellen und stattete den Landsitz wohnlich aus. Böhme veranlasste u.a. die Ausmalung des Festsaals durch Adam Friedrich Oeser und brachte eine ansehnliche Bibliothek mit 455 Bänden und eine Sammlung von insgesamt 1074 Kupferstichen und 232 Gemälden in das Schlösschen, von denen heute jedoch nur noch wenige Teile vorhanden sind. Darüber hinaus machte er sich um die Entwicklung des Ortes verdient, ließ die Dorfstraße pflastern, Lindenalleen anlegen und einen Betsaal errichten.
Mit dem Tod Böhmes erbte der Hof- und Justizrat Johann Hieronymus Hetzer das Gut bis es 1793 durch Testament an die Stadt Leipzig übereignet wurde. Die Stadt verkaufte Inventar und Teile der Kunstsammlung und übergab die Bibliothek an die Stadtbibliothek Leipzig.
1832 veräußerte die Stadt das Schloss für einen "mäßigen Preis" an die Familie des Domherrn Karl Wilhelm Rudolf von Alvensleben. In der Folgezeit wechselten mehrfach die Besitzer, bis die Stadt Leipzig das Schloss 1906 erneut erwarb. Nach einer Sanierung und einem teilweisen Umbau eröffnete das Gohliser Schlösschen 1934 als "Haus der Kultur". Im Jahr 1950 nahm das Bach-Archiv seinen Sitz in Teilen des Gebäudes. Nach der Jahrtausendwende führte die finanzielle Lage der Stadt Leipzig zur Schließung des Gohliser Schlösschens, doch der Freundeskreis "Gohliser Schlösschen" e.V. führte den Veranstaltungsbetrieb weiter fort. Heute beherbergt das Gohliser Schlösschen Ausstellungs- und Veranstaltungsräume sowie ein Café.
Das Gebäude ist zur Gartenseite hin zwei- ansonsten eingeschossig. Die leicht vorgezogene Mitte wird von einem Dach und einem Turm mit Zwiebelhaube bekrönt. Der Rokokogiebel der Vorderseite ist mit reicher Rocailleornamentik verziert. Eine Treppe fehlt dem Gebäude. Der Eingang von der Parkseite liegt hinter einem Brunnen im Zentrum des symmetrischen Gartens. Zwei Flügel begrenzen beidseitig den Hauptbau.
Im Innern beeindrucken der Mittelsalon und der im oberen Geschoss befindliche Festsaal. Der Festsaal, der aufgrund eines Deckengemäldes von Adam Friedrich Oeser auch den Namen Oesersaal trägt, wurde nach 1770 im frühklassizistischen Stil eingerichtet. Sein allegorisches Plafondgemälde stellt den Lebensweg der Psyche dar. Die Wandflächen sind mit illusionistisch gemalten Landschaften versehen. Nach einer Restaurierung in den Jahren 1978-81 steht der Festsaal für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung. Neben Kammerkonzerten, Lesungen, Theater- und Ballettinszenierungen sollen auch Ausstellungen und Führungen in das Schloss einladen. Der Mittelsalon besitzt Kamine, Paneelen und Türen aus der Erbauungszeit von 1756. Seine Wandflächen waren bis 1793 mit "128 Kupferstichen unter Glas" behängt.
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Bildergalerie |
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Gohliser Schlösschen |
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Gemälde im Mittelsalon |
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Oesersaal |
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